29.03.2016, 11:32
Schon einigermaßen frustriert reiste ich nun aus Asuncion ab und fuhr die Routa 2 weiter in Richtung Villarica, zu meinem nächsten Ziel. Unterwegs wollte ich mir „San Bernhardino“, „Caacupe“ ansehen, wohin viele ausgewandert sind. Im Internet hatte ich da auch etwas gesehen und wollte dort vorbei schauen. Die Routas sind halbwegs gut zu befahren. Es sind breite 2-spurige Straßen (1x hin- 1xrück). Die Fahrbahn ist mit starkem Seitengefälle und besitzt breite, asphaltierte Randstreifen, fast so breit wie die Straße selbst. Damit diese nicht als zweite Fahrbahn genutzt werden sind dort alle paar Meter Wellen aus Asphalt oder Nagelleisten. Wie sinnvoll diese Bauart ist, sah ich bei den Regenfällen. Die Straße war fast ohne stehendes Wasser, was ich beeindruckend fand angesichts dieser Regenmengen. Entsprechend breit und tief sind die Gräben seitlich der Straße. Diese Straßen sind gut 15-25m breite Streifen, bevor seitlich Bäume, Gehwege oder Grundstücke anschließen. Platz ist in Paraguay nicht das Problem. Der Asphalt ist aber vielfach mit Brüchen und Schlaglöchern. Es lohnt sich nicht, zu schnell zu fahren und man achtet gut auf den Verkehr vor sich, der anzeigt, wo man die beste Fahrspur hat. Noch wichtiger ist aber die Achtsamkeit bezüglich der Wellen und Kuppen. In Paraguay gibt es zwar Regeln, die aber relativ frei ausgelebt werden. Folglich muss man mit anderen Maßnahmen dafür sorgen, dass nicht zu viel passiert. Entsprechend sind an jedem Ortsteingang ca. 15-25cm hohe Kuppen aufasphaltiert, die jeden Raser zwingen, auf geringstes Tempo zu reduzieren. Genauso sind auch die Kreuzungen gesichert, werden an Schulen, Bushaltestellen, Kindergärten oder sonstigen kritischen Punkten über diese Maßnahme die Geschwindigkeit reguliert. Nicht überall sind es aber Kuppen, häufig sind es auch Mulden, die zugleich der Entwässerung dienen und die man leider schnell übersieht. Mein Navi führte mich daher bei Caacupe nun zu diesem Ziel. Je mehr ich mich diesem aber näherte, desto mulmiger wurde mein Gefühl. Die Straßen waren von Asphalt zu diesen Steinpflasterstraßen und dann zu vermüllten Lehmstraßen geworden, in die der Regen tiefe Furchen ausgespült hatte nebst großen, freigespülten Steinen. Diese mit einem Kia Soul zu befahren, erwies sich als zunehmend kritisch. Irgendwann war ich dann vorn und hinten aufgesessen und nur mit Mühe kam ich wieder frei. Diese tolle Finka erwies sich als weiterer Auswanderalbtraum für mich. In dem Waldstück im Weg zu dem Grundstück waren Bretterbuden mit viel Müll herum, Es führte ein abenteuerlicher Weg, unpassierbar für normale Fahrzeuge dort hin. Sieht so der Traum der Auswanderung in der Realität dann aus? Ich kehrte dann um und fuhr weiter nach Villarica, in der Hoffnung, dass es eigentlich nur noch besser werden kann. Unterwegs gab es in den Orten lange Verkaufsstände. Diese haben die Besonderheit, dass letztlich alle Verkaufsprodukte auf dem Seitenstreifen frei aufgestellt werden bei Wind und Wetter. Je nach Ortschaft hat man dann eine endlose Reihung von Ständen mit Keramik, wobei jeder das gleiche verkauft. Es wiederholt sich alles stets und ständig, so dass es genügt, den ersten Stand abzugehen, um alles zu sehen. In anderen Orten sind es Holzteile, in anderen Stoffe usw. Das ist eine Besonderheit hier, dass letztlich ein Ort gemeinsam dasselbe produziert und verkauft. Vielfalt und Mischung des Angebots ist nicht deren Sache. Den „Largo Ypacarai“ sah ich nur aus der Ferne. Es soll gekippt sein und daher ohnehin kein Ziel für mich. Die Landschaft ist hügelig, jedoch kann man schon weit den Berg bei Villarica sehen. Paraguay ist halt ein sehr flaches Land. Die „Wälder“ kann man eher als Strauchland mit einigen Bäumen sehen. Die Wälder sind auch nur sehr kleinteilig. Überall sind Koppeln und Viehzucht gegeben. Ackerbau sieht man seltener. Die Kühe auf den Weiden waren meines Erachtens nicht besonders gut genährt. Auch das Grün der Weiden hätte ich mich voller vorgestellt. In diesen weiten Weiden sah man dann auch unzählige Hügel von Termiten. Wegen der enormen Regenfälle war der Sommer hier nicht normal. Man sah häufig das Wasser auf den Weiden stehen und daher ist der Boden meist eher sumpfig und wenig ertragreich. Das erklärt wohl die sehr geringe Anzahl Tiere in den Weiden als auch deren mageres Erscheinungsbild. Die Häuser der normalen Einwohner waren bescheiden. Es waren aber meist Steinhäuser in der üblichen 2-Zimmerbauweise mit einem überdachten Mittelplatz. Dort sah man die Leute sitzen, Kinder spielen und im Garten waren Kleinvieh oder eine Kuh. Man sagte mir, dass im Norden die meisten Häuser nur mit Brettern seien und der mittlere Teil schon besser daher sei. Jedoch die Friedhöfe sind respektabel. Da sind unsere Friedhöfe außer Konkurrenz banal. Statt die Toten in die Erde zu verscharren und grobe, stereotype Steinplatten und Kreuze darauf zu stellen, bauen hier die Leute Gruften wie kleine Häuser mit Portalen. Diese sind bunt angemalt oder mit Fliesen oder Stuck verziert. Man ist dann in einer „Stadt der Toten“. Jede Familie hat hier scheinbar ihre Gruft und entsprechend dem Reichtum und dem Stand sind diese teils groß und feudal, teils klein und einfach, aber allesamt meist schön und interessant. Je näher ich nun an Villarica kam, desto mehr fiel mir auf, dass die Landschaft und die Gegend sich veränderten. Es wurde etwas grüner, die Ortschaften waren deutlich weniger vermüllt. Die Kühe auf den Weiden schienen mir besser genährt und selbst die viele Katzen, die man so sah, waren weniger knochig und besser genährt. Man sah auch etwas mehr Dekoration am Straßenrand. Es gab hier Buschreihen, Blumenarrangements und bei manchem Kreisverkehr sogar so etwas wie Kunstgestaltungen darauf. In der Stadt aber war es ähnlich wie bislang in den anderen Städten. Ich fand nach einiger Suche das Hotel „Paraiso“, welches von Deutschen betrieben wird und fand sehr gute Unterkunft und Gesellschaft dort. Es ist eher eine Gastwirtschaft mit einigen Gästezimmern (die aber wie ein Hotel ausgestattet sind), Pool, großem Garten usw. Der Gastraum ist eine Reise wert. Man wird kaum einen Gastraum finden, in dem mehr Kuckucksuhren, Filmplakate, Bilder von Dresden usw. so vereint sind. Entsprechend zieren auch einige Prominentenbilder auch schon die Wände – Werbung muss ja auch sein. Unentwegt ertönen in allen Tonlagen diese Kuckucksrufe, schlagen Pendeluhren den Gong und ticken in allen Varianten die Uhren. Jedoch die genaue Uhrzeit ist hier verhandelbar. Ich genoss die Tage dort sehr, zumal ich endlich mangels Sprachbarriere – ich hätte doch mehr und fleißiger lernen sollen, was mir nun schmerzlich klar wurde – viele Fragen stellen konnte, andere Leute traf und es auch menschlich wärmer wurde. Nun hörte ich vieles vom Land und den Leuten, deren Art und wie es vielen Auswanderern ergangen ist in diesem Land ihrer Träume. Leider aber auch hier zeigte sich, dass wohl die allerwenigsten wirklich Erfolg und Glück fanden. Selbst die Betreiber des Hotels hatten etliche Krisen zu überstehen (Tornado, viele Stromausfälle, Überfall ….). Abends wenn man im Hotel sitzt, flackert ständig das Licht. Nicht selten gibt es längere Ausfallpausen, die man nur mit Generator überbrücken kann. In der Stadt gab es einige schöne Häuser, mehrheitlich aber waren die Häuser im schlechten Zustand. Das viele Wasser von oben und unten setzte stark zu. Die Straßen und Gehwege waren besser, aber nicht gut. Es gab hier schön angelegte Plätze, auf denen für Silvester alles Mögliche verkauft wurde, weitaus mehr als bei uns in Deutschland denkbar wäre. Die Leute liefen überall mit ihren Terere-Bechern herum, saßen essend und trinkend auf Bänken und waren sehr ruhig und entspannt. Die Straßen waren dominiert von alten Auto´s und vor allem Zweirädern. Mit Helm zu fahren muss als unschicklich empfunden werden, da kaum einer damit fuhr. Entsprechend schrecklich müssen die viele Unfälle ausfallen, wie man mir sagte. Wenn man hier einen Unfall verursacht, muss man Blutgeld zahlen. Man muss als Ausländer hierfür noch nicht einmal der Schuldige sein. Kommt man hier nicht zu einer Einigung, kann das für den Ausländer auch zu einer sehr kniffligen – lebensgefährlichen Angelegenheit werden. Da ein Ausländer immer Geld zu haben hat, sind die Forderungen auch entsprechend hoch, so dass jene, die selbst nur knapp durchkommen, damit in eine echte Krise kommen können. Die Frauen sind hier offensichtlich nicht ohne gutes Selbstbewusstsein. Sie kleiden sich gut und sind – zumindest in den jüngeren Semestern – meist gut aussehend. Man sieht sie gut gekleidet alleine auf ihren Zweirädern fahren. Auch den Männern hier ist ein gewisses Imponiergehabe anzumerken. Im Übrigen ist das „Macho“-Gehabe hier typisch Südamerikanisch gegeben. Treue ist hier nicht üblich und auch trotz katholischer Prägung kein Wesenszug. Besonders die Vergangenheit des Landes, welches bei einem Krieg fast eine komplette Generation Männer verloren hat, wirkt hier nach.